Erfahrungsbericht | Lernreise zu DUO for a JOB nach Belgien: Öffentliche Verwaltung trifft Unternehmen

Veröffentlicht am: 02.08.2022
Blogbeitrag Titelbild

Die Kreisintegrationsstelle (KIS) des Landkreises Karlsruhe legt seit vielen Jahren großen Wert auf individuelle Begleitung und Mentoring im Integrationsprozess. Im Moment engagieren sich rund 250 Bürger:innen des Landkreises mit und ohne Migrationshintergrund in sechs Qualifizierungsprogrammen der Kreisintegrationsstelle.

Im Jahr 2022 kamen zwei neue Programme hinzu. Bürgerschaftliche Begleitung und Mentoring erweisen sich auch in Krisensituationen als ein starkes, flexibles und effektives Instrument zur Hilfe beim Ankommen in Deutschland.

Besonders erfolgreich läuft seit dem Start im Jahr 2015 das Programm Job Coaches des Fachbereiches Integration in Arbeit. In diesem Programm vermitteln ehrenamtliche Mentor:innen Menschen mit Migrationshintergrund in Praktika, Ausbildung und Arbeit. Wie andere Qualifizierungsprogramme der Kreisintegrationsstelle beinhaltet auch dieses Programm ein großes Entwicklungspotenzial, da die flächendeckende Bereitschaft zum bürgerschaftlichen Engagement auf einen wachsenden Bedarf an individueller Begleitung in Integrationsprozessen trifft.

Um die Arbeit der KIS im Bereich Mentoring weiter zu professionalisieren, entschied das Landratsamt Karlsruhe in den Austausch mit einem erfolgreichen Wirtschaftsunternehmen zu treten, das sich seit Jahren erfolgreich auf Mentoring spezialisiert.

DUO for a JOB

DUO for a JOB ist ein belgisches Unternehmen mit Sitz in Brüssel und Niederlassungen in mittlerweile acht Städten in Belgien, Frankreich und den Niederlanden. Als Start Up 2012 gegründet, entwickelte sich DUO zu einem großen Unternehmen mit über 70 hauptamtlichen Mitarbeitenden und unterhält Kooperationen mit lokalen Arbeitsagenturen und der Wirtschaft. Die Aufgabe des Unternehmens ist die Förderung des Einstieges in den Arbeitsmarkt für junge Menschen mit Migrationshintergrund. Dies erfolgt über Tandems mit ehrenamtlichen Mentor:innen ab einem Alter von 50 Jahren, die über Arbeitsmarkterfahrung verfügen. Über 4.000 junge Menschen mit Migrationshintergrund wurden bereits in Tandems begleitet. Eine von drei Personen erhielt über diese Methode einen Arbeitsvertrag von mindestens drei Monaten. Rund 1.570 ehrenamtliche Mentor:innen engagieren sich derzeit bei DUO for a JOB.

Die Lernreise

Die Leiterin der Kreisintegrationsstelle, Yana Shykhyrina, und die Verantwortliche des Fachbereiches Integration in Arbeit, Bettina Lichter, verbrachten vier Tage in Brüssel im Rahmen der durch das Programm Land.Zuhause.Zukunft ermöglichten Lernreise. Mit Hilfe der Robert Bosch Stiftung wurde der Kontakt mit dem Gründer und Generaldirektor von DUO for a JOB, Frédéric Simonart, hergestellt. Für den Ablauf der Lernreise war der Direktor der Brüsseler Niederlassung, Prabhu Rajagopal, zuständig. Nach mehreren Videokonferenzen mit Herrn Rajagopal wurden gemeinsam folgende zentrale Lernaspekte als Ziel der Lernreise festgelegt:

  • Erfolgsgeschichte von DUO;
  • Struktur der Finanzierung;
  • Prozessmanagement des Unternehmens (“life cycle” und “operations management”): Datenanalyse, Kundenbeziehungsmanagement;
  • Öffentlichkeitsarbeit zur Förderung der interkulturellen Öffnung- Monitoring- und Evaluationsmodell;
  • Teilnahme an einer Sitzung zur Bildung von “duos” Mentor:innen-Mentee, sogenannte “matching session”
  • Strategie der Akquise von Mentor:innen und Mentees, Management der Zusammenarbeit mit Teilnehmenden am Programm;
  • Gespräch mit einem “duo” Mentor:innen-Mentee – Einblick in die Praxis;
  • Rückblick auf die Tage bei DUO: neue Erkenntnisse und Feedback.

In einzelnen Sitzungen am Standort von DUO for a JOB in Brüssel wurden die oben genannten Themen von Herrn Rajagopal und verantwortlichen Fachexpert:innen von DUO for a JOB der KIS-Delegation im Detail präsentiert. Auch die KIS beteiligte sich aktiv: In einer hybriden Konferenz wurden ihre Fachbereiche und das Programm Job Coaches den Mitarbeitenden des Unternehmens vorgestellt.

Das Gelernte anweden

Die Arbeitsweise von DUO for a JOB unterscheidet sich natürlicherweise signifikant von der einer öffentlichen Verwaltung. Dennoch können einzelne Strategien und Instrumente auf die Arbeitsweise einer Verwaltungsstruktur übertragen werden. Folgende drei ausgewählte Beispiele zeigen, wie die KIS das Gelernte in der eigenen Arbeit umzusetzen plant.


Transparente Strukturen

DUO for a JOB

Transparente Strukturen des Programms erlauben Skalierbarkeit und Umsetzungsfreundlichkeit auf allen Ebenen. Der Tätigkeit von DUO for a JOB liegt ein 8-Schritte-Modell, auch „life cycle“ genannt, zugrunde:

  1. Informationsveranstaltung über das Mentoringprogramm für interessierte Mentor:innen und Mentees;
  2. Einzeltreffen mit Koordinator:innen des Programms;
  3. Basisqualifizierung für Mentor:innen;
  4. Bildung von Mentor:in – Mentee Paaren, „Duos“, anhand der Bedarfe von Mentees;
  5. Erstes Treffen von Mentor:in mit Mentee;
  6. Unterschreiben einer Vereinbarung als Basis für die Zusammenarbeit des „Duo“;
  7. Maximal sechs Monate der Zusammenarbeit zwischen Mentor:innen und Mentees mit je einem wöchentlichen Treffen;
  8. Bewertung der Resultate des sechsmonatigen Mentorings.

Dieser Programmablauf wird transparent kommuniziert und in allen Niederlassungen von DUO umgesetzt. Er vermittelt einen klaren roten Faden für hauptamtliche Mitarbeitende des Unternehmens, aber auch für Mentor:innen und Mentees.

KIS

Für Qualifizierungsprogramme wird schriftlich ein überschaubarer Ablauf festgelegt. Dieser soll als Wegweiser für KIS-Mitarbeitende, bürgerschaftlich Engagierte und Menschen mit Migrationshintergrund dienen. Der Ablauf wird darüber hinaus als Basis für eine Vereinbarung verwendet, welche die Arbeit in Tandems regeln soll.


Evaluation und Berichterstattung

DUO for a JOB

Evaluation und Berichterstattung ist ein fester Bestandteil der Arbeit des Unternehmens. Der Erfolg der Tätigkeit des Unternehmens wird anhand von sogenannten „key performance indicators“ gemessen. DUO erfasst kontinuierlich solche Indikatoren, beispielsweise die Anzahl von aktiven Mentor:innen, die Anzahl von gebildeten „Duos“ oder in die Begleitung von „Duos“ investierte Arbeitsstunden.Darüber hinaus sammeln sie anonymisierte statistische Daten zu Mentor:innen und Mentees und Erfahrungsberichte aus der Mentoringpraxis. Dies erlaubt dem Unternehmen professionelle Jahresberichte für private und institutionelle Sponsor:innen, Gesellschaft und Politik zu erstellen. Die Kerndaten sind nach Bedarf abrufbar.

KIS

Bereits vor der Reise zu DUO for a JOB, im Laufe des Programms Land.Zuhause.Zukunft, wurde in der KIS ein Konzept zu Evaluation und Monitoring umgesetzt. Die Daten werden mithilfe von Excel-Datenbanken, die durch Programmierung in Visual Basic ergänzt werden, gesammelt und ausgewertet. Zur Evaluation der Programme durch die Teilnehmenden wird Mentimeter genutzt. Jahresberichte von DUO for a JOB gaben KIS einen Impuls, die eigenen Zahlen ebenfalls jährlich zu präsentieren. An der passenden Umsetzung wird aktuell gearbeitet.


Softwarelösungen für effektives, effizientes und wertschätzendes Arbeiten

DUO for a JOB

Management der Zusammenarbeit mit Programmteilnehmenden, „pool management“, mit Hilfe von CRM (Customer-Relationship-Management) Software erlaubt eine effektive, effiziente und wertschätzende Arbeit mit einer großen Anzahl von Mentor:innen und Mentees. Tausende von Mentor:innen und Mentees werden bei DUO in Tandems zusammengebracht und begleitet. Dies wird durch softwaregestützte Arbeit möglich: In einem Programm werden Profile von Mentor:innen und Mentees angelegt. Diese können anhand vieler Kategorien und Kriterien gefiltert werden: Wünsche und Bedarfe von Mentees, Arbeitserfahrungen und Branchen von Mentor:innen, Status im Programm (z.B. aktiv, pausierend) und viele mehr. So haben Mitarbeitende von DUO stets einen guten Überblick über den Pool und können schnell und effektiv „duos“ bilden.

KIS

Inspiriert von DUO for a JOB recherchiert KIS zu möglichen Softwarelösungen, um den Pool der Teilnehmenden in Programmen noch effektiver und effizienter managen zu können. Bis dahin werden die ersten Impulse des Poolmanagements vorerst in VBA-ergänzten Excel-Datenbanken umgesetzt. Diese Lösung ist kostengünstig und erlaubt trotz einiger Einschränkungen die Abbildung vieler Funktionen einer CRM-Software.


Wertvolle Impulse

Während des Aufenthaltes in Brüssel besuchte die KIS-Delegation außerdem drei weitere Organisationen. Das Europabüro der baden-württembergischen Kommunen setzt sich für die Interessen von Gemeinden und Städten sowie Land- und Stadtkreisen aus Baden-Württemberg in Brüssel ein. Herr Wegener, Leiter des Büros, berichtete über Besonderheiten der Arbeit des Büros in Brüssel und machte Frau Shykhyrina und Frau Lichter auf das Förderhandbuch „EU-Fördermöglichkeiten für Städte, Gemeinden und Landkreise in Baden-Württemberg“ aufmerksam.

Foyer VZW ist eine gemeinnützige Organisation in Brüssel, die bereits seit über 50 Jahren durch ihre zahlreichen Angebote eine interkulturelle Gesellschaft im Quartier prägt. In einem offenen Gespräch teilte der Vorsitzende des Foyers, Herr Leman, seine jahrelangen Erfahrungsschätze mit der KIS-Delegation:

Offer programmes for migrants in a beautiful space that can be their second home, where they can feel uplifted!“

Impact Shakers ist ein junges Unternehmen, das in diversen Programmen Menschen, die selten zu Entrepreneur:innen werden, zu ihrem ersten Start Up begleitet. Mitbegründerin von Impact Shakers, Frau Bouzidi, empfing Frau Shykhyrina und Frau Lichter im beeindruckenden digitalen Campus BeCentral in Brüssel und bot eine Einführung in die spannende Welt des Unternehmer:innentums:

There is no problem to find entrepreneurs who want to be mentors – successful people want to give back!“

Danke

Wir bedanken uns beim Programmbüro des Programms Land.Zuhause.Zukunft, bei der Robert Bosch Stiftung und bei allen Gastgeber:innen in Brüssel für die zahlreichen neuen Anregungen, die gewinnbringenden und spannenden Gespräche und für die Zeit, die uns so großzügig zur Verfügung gestellt wurde.

Yana Shykhyrina