Pilotlandkreise
2017 – 2019
Landkreis Coburg: Migrantinnen und Migranten für Pflegeberufe gewinnen
Die Altenpflege steht derzeit vor erheblichen Herausforderungen, die vor allem durch den Fachkräftemangel bedingt sind und die in ländlichen Räumen besonders zum Vorschein kommen. Die Kleinteiligkeit der Trägerstruktur im Landkreis Coburg hat zur Folge, dass es den einzelnen Trägern kaum möglich ist, dem Fachkräftemangel aus eigener Kraft zu begegnen. Der Landkreis Coburg wollte deswegen gemeinsam mit den Trägern der Altenhilfe einen Verbund schaffen, der es ermöglicht die Herausforderungen zusammen anzugehen. Mit aktiver Einbindung der Pflegeeinrichtungen und der Pflegeschulen sowie vielen weiteren Partnern hat der Landkreis Coburg Strategien und Ansätze erarbeitet, das Potenzial von Zuwanderung zu nutzen um Fachkräfte für die Pflege zu gewinnen.
Die bisher fragmentierte Akteurslandschaft im Bereich der Altenpflege hat sich zusammengeschlossen und arbeitet bei der Anwerbung, Bindung und Integration von Migranten und Geflüchteten institutionsübergreifend zusammen. Die Landkreisverwaltung begleitet diesen Prozess, denn es ist auch ein starkes politisches Anliegen eine gute Versorgung in der Pflege für die Bürgerinnen und Bürger des Landkreises zu gewährleisten. Das Problembewusstsein war allseits schon lange vorhanden. Mit diesem Projekt wurden neue Handlungsansätze erprobt, die in der Folge stetig weiterzuentwickeln sind. Sie zielen darauf ab, eine langfristige Bindung von Zuwanderern an den Wohn- und Arbeitsorten des Landkreises Coburg durch gelingende Integration zu erzielen.
Das Beraterteam von Kompetus Management Consulting GmbH erarbeitete zusammen mit der Landkreisverwaltung und weiteren relevanten Akteuren aus dem Landkreis verschiedene Instrumente, um die gezielte Anwerbung und Integration von Zuwanderern anzugehen. Dazu gehörte beispielsweise, dass der Entscheidungsprozess für die Ansprache möglicher Zielgruppen systematisiert wurde. Ebenso wurde die Ansprache möglicher Zielgruppen sowie die modellhafte Planung und Koordination des gesamten Anwerbe- und Integrationsprozesses vor Ort in den Blick genommen. Die Landkreisverwaltung verfasste zusammen mit dem Beraterteam eine Handreichung für Pflegeeinrichtungen, die Handlungsempfehlungen für die interkulturelle Zusammenarbeit in den Einrichtungen enthält. Der Landkreis Coburg verstand sich im gesamten Prozess als Kooperations- und Netzwerkplattform, die es den beteiligten Akteuren ermöglichte, gemeinsam nach Lösungen zu suchen, und hat dabei das Zusammenspiel der verschiedenen Akteure koordiniert. So entstand ein trägerübergreifendes Netzwerk der regionalen Pflegeeinrichtungen, das in regelmäßigen Zusammenkünften die Ziele der gemeinsamen Trägerarbeit sowie konkrete Handlungsoptionen definierte, um im ländlichen Raum Coburg mit dem Fachkräftemangel umgehen zu können. Beratung und Coaching wurden durch ein Austausch- und Besuchsprogramm an das Robert Bosch Krankenhaus, die Kolping Altenpflegeschule in Stuttgart sowie zu unterschiedlichen Akteuren in Priština (Kosovo) ergänzt.
Landkreis Goslar: Entwicklung eines modularen Integrations- und Teilhabekonzeptes für Neuzuwanderer
Der Landkreis hat in den letzten Jahren mit neuen Strukturen und Maßnahmen auf die Flüchtlingszuwanderung in den Jahren 2015/16 reagiert. Bei der Auswertung der bisherigen Erfahrungen zeichnete sich der Bedarf ab, ein zukunftsfähiges Modell für Integration und Teilhabe zu entwickeln, das nicht nur Geflüchtete in den Blick nimmt, sondern alle relevanten Akteure in Politik und Verwaltung, Wirtschaft, Zivilgesellschaft sowie die unterschiedlichen Zuwandererperspektiven miteinbezieht.
In einem offenen Beteiligungsverfahren hat der Landkreis Goslar gemeinsam mit dem Beraterteam von Ramboll Management Consulting GmbH Leitlinien für ein Integrations- und Teilhabekonzept entwickelt. Die entstandenen Leitlinien werden von allen beteiligten Akteuren getragen und dienen als strategische Grundlage für die Umsetzung aller Integrationsmaßnahmen im Landkreis.
Nach einem gemeinsamen Auftakt mit dem Landrat, der ersten Kreisrätin und der Landkreisverwaltung führte das Beraterteam explorative Interviews mit Vertreterinnen und Vertretern der Wirtschaft, der Zivilgesellschaft, von Bildungseinrichtungen, der Gemeinden und Neuzugewanderten im Landkreis Goslar durch. Sechs thematische Fokusgruppen setzten sich mit der Definition eines gemeinsamen Integrationsverständnisses für alle Bürgerinnen und Bürger des Landkreises auseinander. Zudem erarbeiteten sie Handlungsgrundsätze in den sechs Themenfeldern Gesundheit, Ehrenamt & Zivilgesellschaft, Leben & Wohnen vor Ort, Empowerment, Arbeitswelt & Wirtschaft sowie Bildung & Sprache. Die erarbeiteten landkreisweiten und themenspezifischen Leitlinien, aus denen konkrete Maßnahmen hervorgehen sollen, wurden im Rahmen von Dialogveranstaltungen diskutiert, priorisiert und zu einem einheitlichen Bild verdichtet, aus dem das Integrations- und Teilhabekonzept des Landkreises entstanden ist.
Landkreis Harz: Integrationsmonitoring im Bereich Flüchtlinge und Neuzuwanderer – Integration und Datenmanagement aus einer Hand
Für eine gelingende Integrationspolitik braucht es eine fundierte Datenbasis, die Auskunft über relevante Integrationsfortschritte und mögliche Defizite gibt. Um Mehrfacherhebungen zu vermeiden, die individuelle Beratung von Neuzugewanderten zu verbessern und die Grundlage für eine gelingende Koordination integrationsspezifischer Angebote auf Landkreisebene zu legen, erkannte die Koordinierungsstelle für Migration des Landkreis Harz den Bedarf nach einem individuellen Integrationsmonitoring, dessen Entwicklung von Ramboll Management Consulting GmbH fachlich begleitet wurde.
Die Landkreisverwaltung und das Beraterteam entwickelten ein Machbarkeitskonzept für das Datenmanagementsystem von Integrationsverläufen, welches insbesondere die rechtlichen Rahmenbedingungen, die erforderlichen Ressourcen und Wege in die Umsetzung darstellt. Das Konzept beinhaltet zudem Anforderungen und Aufgabenpakete für den strukturellen und inhaltlichen Umsetzungsrahmen.
In Zusammenarbeit mit Mitarbeitenden in der Verwaltung, Migrationsberatungen, Sprach- und Integrationskursträgern sowie anderen integrationsspezifischen Beratungsstellen wurde eine Datenbestandserfassung durchgeführt. Daraus wurde ersichtlich, dass alle benötigten Informationen bereits bei den Akteuren vorliegen, an vielen Stellen jedoch eine Mehrfacherhebung der Daten stattfindet. Anschließend wurden eindeutige Kategorien für die erhobenen Informationen definiert und es wurde festgelegt, welche Stellen für welche Ergänzungen und Veränderungen von Daten verantwortlich sind. Des Weiteren wurden Bedingungen für die Umsetzung des Integrationsmonitorings aufgestellt, wie etwa die Einhaltung des Datenschutzes und die technischen wie organisatorischen Anforderungen an eine Datenbanklösung. Aus dem Beratungsprozess ging als Empfehlung hervor, für die Etablierung des individuellen Integrationsmonitorings eine Projektstruktur aufzusetzen, die bei der Koordinierungsstelle für Migration des Landkreis Harz angesiedelt sein soll.
Die Umsetzung des individuellen Integrationsmonitoring erfordert personelle Kapazitäten beim Landkreis Harz, die aktuell im Haushalt nicht vorgehalten werden können. Daher werden Schritte zur Umsetzung erst weiterverfolgt, wenn die haushaltsrechtlichen Grundlagen das erlauben. Das erarbeitete Wissen wird anderen Landkreisen gerne zur Verfügung gestellt.
Landkreis Ludwigslust-Parchim: Entwicklung eines dezentralen Integrations- und Teilhabekonzeptes für den Landkreis und die kreisangehörigen Städte und Gemeinden
Ludwigslust-Parchim ist der zweitgrößte Flächenlandkreis Deutschlands, weist eine sehr dünne Bevölkerungsdichte auf und umfasst eine Vielzahl von Gemeinden mit unterschiedlichen strukturellen Merkmalen. Diese Voraussetzungen stellten eine Herausforderung im Hinblick auf Integrations- und Teilhabemaßnahmen für Zugewanderte dar, deren Umsetzung dezentral erfolgen und die Verteilung von unterschiedlichen Zuwanderergruppen berücksichtigen sollte.
Die Landkreisverwaltung schuf gemeinsam mit dem Beraterteam von Kompetus Management Consulting GmbH die Voraussetzungen für die künftige Entwicklung eines Integrations- und Teilhabekonzeptes, das den regionalen Besonderheiten der Gemeinden im Landkreis Ludwigslust-Parchim Rechnung trägt. Durch die Vernetzung unterschiedlicher Akteure aus dem Landkreis wurden lokale Initiativen vor Ort reaktiviert und ein Bewusstsein für gemeinsames Handeln geschaffen. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Landkreisverwaltung und kreisangehörigen Kommunen wurde gestärkt. Eine kreisweit agierende Aktivgruppe wurde gebildet, welche sich in regelmäßigen Abständen trifft, um einen Informationsaustausch zwischen den einzelnen Akteuren der Regionen und der Kreisverwaltung zu gewährleisten.
Die Grundlagen für die Erarbeitung eines Integrations- und Teilhabekonzeptes wurden in einem dezentralen Beteiligungsverfahren gelegt. Der Landkreis wurde in fünf Zielregionen aufgeteilt, um alle kreisangehörigen Kommunen zu erreichen. Anschließend wurden in ausgewählten Regionen Vorgespräche zu den relevanten Thematiken im Bereich der Integration und Teilhabe von Zugewanderten geführt. Die in den Vorgesprächen identifizierten Themen wurden in Runden Tischen in allen Regionen vertieft diskutiert, woran Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Verwaltung, der Zivilgesellschaft, der Kirche, der Wirtschaft sowie aus Migrantenorganisationen teilnahmen. Die Impulse aus den Runden Tischen wurden in sogenannten Aktivgruppen aufgegriffen und in den Regionen umgesetzt. Ein Vernetzungstreffen aller regionalen Aktivgruppen diente als „Kick-Off“ für die zukünftige Entwicklung des Integrations- und Teilhabekonzeptes.
Landkreis Prignitz: Zivilgesellschaftliche Beteiligung von Zugewanderten
Im Landkreis Prignitz gab es eine lebendige Integrationslandschaft, über die jedoch nur wenige Schlüsselakteure einen vollständigen Überblick hatten. Niederschwellige Kontaktmöglichkeiten, die den Austausch zwischen Neuzugewanderten und Alt-Prignitzern im täglichen Leben fördern, waren nur wenig vorhanden. Dabei können das Vereinswesen und ehrenamtliche Organisationen eine große Rolle zur Stärkung des Gemeinschaftsgefühls spielen. Zum einen kann das Ehrenamt dazu beitragen, den komplexen Übergang zwischen Integrationskursen und Berufsleben für Neuzugewanderte zu erleichtern, zum anderen sind Vereine auf das Engagement bestehender und neuer Mitglieder angewiesen.
Unter der Marke „Bunte Prignitz“ wurden bestehende Angebote im Ehrenamt und Vereinswesen für Zugewanderte zugänglicher und verständlicher gemacht sowie in positiven Beispielen die Integration und das Engagement im zivilgesellschaftlichen Sektor gestärkt. Ziel war es außerdem, die Motivation unter den Engagierten zu fördern und Flüchtlinge/Neuzuwanderer zu einem Engagement zu bewegen. Dadurch sollte die Bindung von Zugewanderten verbessert und das harmonische Zusammenleben im Landkreis Prignitz gefördert werden.
In einem partizipativen Prozess verschaffte sich das externe Beraterteam einen Überblick über Perspektiven und Erkenntnisse lokaler Akteure auf das Thema Integration und führte Interviews mit der Zielgruppe Flüchtlinge und Neuzuwanderer. Bestehende Angebote von lokalen Vereinen und ehrenamtlichen Initiativen wurden mit Steckbriefen und einer Akteurslandkarte übersichtlich dargestellt und für Koordinatoren und Multiplikatoren zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus unterstützte das Beraterteam die Landkreisverwaltung dabei, geeignete Kriterien und Materialien zur Förderung von Mikroaktivitäten zu entwickeln, die die Teilhabe und Einbindung von Zugewanderten im lokalen Vereinswesen stärken. Schließlich wurde gemeinsam mit dem Kreissportbund als Schlüsselakteur ein Aktionsplan zur Umsetzung von Projekten entwickelt und ein innovatives Begegnungsformat zur Vernetzung der beteiligten Akteure aufgesetzt.
Vogtlandkreis: Teilnehmer- und Absolventenmanagement in und nach Integrationskursen
Seit den 1960er Jahren wurden im Vogtlandkreis vielfältige Erfahrungen mit Zuwanderung sowohl aus dem europäischen wie auch aus dem außereuropäischen Ausland gemacht. In der Zeit nach der Wende handelte es sich bei den dauerhaft Zugewanderten im Vogtlandkreis vorwiegend um Spätaussiedler und verbliebene DDR-Werkvertragsnehmer. Das Jahr 2015 bildete deshalb einen migrations- und integrationspolitischen Wendepunkt, da sich die demographische Situation durch die Ankunft von Asylbewerbern und Flüchtlingen erneut veränderte. Seitdem die Zahl von Neuzugewanderten gestiegen ist, haben nicht zuletzt strukturelle Herausforderungen des ländlichen Raums dafür gesorgt, dass einer stark differenzierten Zielgruppe von Integrationskursteilnehmern ein weniger stark differenziertes Angebot an Kursen zur Verfügung stand.
Der Beratungsprozess im Vogtlandkreis zielte darauf ab, für die äußerst heterogenen Gruppen von Neuzuwanderern ein Sprach- und Integrationskursangebot zu entwickeln, das die unterschiedlichen Bildungshintergründe und Leistungsniveaus der Teilnehmer berücksichtigt. Die Feststellung, dass es in Sprach- und Integrationskursen Schnell- und Langsamlernergruppen braucht, führte zur Entwicklung eines Modellprojekts, das im Rahmen einer Förderung durch die Robert Bosch Stiftung derzeit ausgetestet wird.
Neben der Landkreisverwaltung nahmen die Sprachkursträger Regionales Bildungszentrum Eckert und Witt Schulungszentrum am Beratungsprozess teil. Es wurden zwei Integrationskurse der beiden Kursträger begleitet und Interviews mit den Lehrkräften, den Fachkoordinatoren für Deutsch als Zweitsprache sowie der Leitungsebene geführt. Außerdem fanden Gespräche mit den Integrationsakteuren der Landkreisverwaltung, mit Beratungsstellen und Unternehmen statt. Parallel zum Beratungsprozess tauschten sich die beteiligten Akteure über die Reformpotentiale von Integrationskursen im Landkreis aus. Auch wurde die Frage diskutiert, ob und wie die lokale Sprachvermittlung zur Bindung von Neuzuwanderern vor Ort beitragen kann. Die Ergebnisse der Feldanalyse und der gemeinsamen Reflexion flossen in den Förderantrag für ein Modellprojekt ein, das die Differenzierung und Ergänzung des Sprachkursangebots für schnelle und langsamere Deutschlerner zum Ziel hat.